Comicbuch von Aleksandar Zograf

Eine Ansichtskarte aus Pančevo

Der serbische Comiczeichner und Autor Aleksandar Zograf streift mit einem besonderen Blick durch die Stadt in der er aufgewachsen ist. 

„Die Schatten der Vergangenheit hängen über dieser Stadt: Jahrhunderte lang war Pančevo abwechselnd unter ungarischer, osmanischer und österreichischer Herrschaft, bis es 1918 Teil Serbiens wurde. Die moderne Stadt entstand im 18. Jahrhundert durch den Zusammenschluss von serbischen und deutschen Stadtteilen. Zu dieser Zeit schienen diese beiden kulturell und religiös weit voneinander entfernten Einheiten auf dem Weg zu einer friedlichen Koexistenz zu sein.“

„Ich kann mir vorstellen, wie sie 1906 gemeinsam die verrückten Spektakel, das Gastspiel von Buffalo Bills Zirkus besuchten - aus meinem Fenster blicke ich auf das Gelände der Glasfabrik, das damals noch eine Wiese war, auf der man das riesige Zelt aufgebaut hatte..."

Juni

Aleksandar Zograf: Verbrauchte Welt (Elhasznált világ)

Pancevo auf der Europakarte

Datierung: 2010

Material: Papier

Maße: 23,5 x 16,5 x 1 cm

Herstellungsort: Budapest, Ungarn / Pančevo, Serbien

Sammlung: Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen

Ansichtskarte aus pancevo

In einer Welt, in der Tiefgründigkeit oft zu kurz kommt, wandelt Aleksandar Zograf als ein wahrer Meister der Beobachtung. Wenn er durch die Straßen von Pančevo und den Metropolen der Welt streift, offenbart sich ihm auf Flohmärkten und in den Seiten vergilbter Bücher auf fast magische Weise die Schönheit der kleinen Dinge. Die Objekte, die er entdeckt und beobachtet, hat er nie besessen, nie liebevoll behütet oder aufbewahrt. In seiner Hand werden sie zu Kunstwerken, die die Erinnerungen in Ehrfurcht bewahren.


Seine Comics sind Reflexionen dieser poetischen Wahrnehmungen. Die Geschichten haben einen ethischen Kern, der eine Welt entstehen lässt, die uns alle gehören kann.


Hinter dem Namen Aleksandar Zograf verbirgt sich Saša Rakezić, ein weltweit anerkannter serbischer Comiczeichner und Autor, der in Pančevo aufwuchs und dort bis heute lebt und arbeitet. Sein Künstlername, inspiriert von der orthodoxen Ikonographie, spiegelt sein Schaffen wider: Als „zografos“, der Maler und „grafos“, der Schreiber, erzählt er vom „zoi“, dem Leben.

„Im Jahr 1944 vertrieb die neue Macht die gesamte deutsche Bevölkerung aus dem Land und beschlagnahmte ihr Eigentum. Die verantwortlichen für die Gräueltaten verließen das Land mit den Nazi-Truppen, und die Folgen hatte das einfache Volk zu tragen...

Nach dem Krieg entwickelte sich Pančevo zu einem Industriezentrum. Die sozialistische Regierung interessierte sich nicht für Religion und baute eine riesige Ölraffinerie neben dem Kloster Vojlovica aus dem 15. Jahrhundert. Die Raffinerie war 1999 ein häufiges Ziel von NATO-Bombardements.“

„Was ich gerade beschrieben habe, mag nicht sehr verlockend sein, aber ich bereue nicht, dass ich den Großteil meines Lebens hier verbracht habe. Die Welt ist voller spannenden Erlebnisse – jede Siedlung ist ein Mikrokosmos und als solcher verdient sie Respekt.“

Ansichtskarte aus Pancevo

Aleksandar Zograf begann seine Karriere in den 1980er Jahren. Als Jugoslawien auseinanderbrach, wandte er sich ernsten Themen zu, fühlte es als unmoralisch, in solch dunklen Zeiten heitere Comics zu zeichnen. Seine Werke widmen sich auch dem Krieg, dem Holocaust und dem Leben in einer zerrissenen Welt, um diese schweren Themen auch jüngeren Generationen nahezubringen. Als Protagonist seiner eigenen Comics erzählte er von seiner Verwunderung über den Hass zwischen einstigen Nachbarn, über das Leben in seiner bombardierten Heimatstadt.


Zograf steht nicht allein: Comics haben in Serbien eine lange Tradition, eine Leidenschaft, die in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens geteilt wird.


Mehr zu independent comics in Südosteuropa unter https://comixconnection.eu/

Comixconnection war ein Projekt der Koordinierung Ostmittel- und Südosteuropa am Museum Europäischer Kulturen.