Body Map ainer überlebenden des Bosnien-Krieges

„Ich bin wie ein Phönix, und du?“

Dieses Zitat gehört zu einer Body Map, entwickelt von einer Frau, die in ihrem Leben kriegsbedingte sexuelle Gewalt erlebt hat. Das Bild entstand während eines Workshops, an dem Überlebende solcher Gewalt und Kinder, die in Folge solcher Gewalt geboren sind, teilnahmen. In dieser sicheren und unterstützenden Atmosphäre konnten die Teilnehmenden ihren Blick in die Zukunft richten und ihr Leben in seiner ganzen Vielfalt wahrnehmen, anstatt sich ausschließlich über die erfahrenen Traumata zu definieren.

November

Body map

Sarajevo auf der Europakarte

Datierung: 2020

Material: Papier

Entstanden: Sarajevo, Bosnien und Herzegowina

Sammlung: Muzej ratnog djetinjstva, Sarajevo

Foto: Muzej ratnog djetinjstva, Sarajevo

Auf dem Papier erscheinen zwei große Gestalten, die den Körper einer Frau darstellen, die während des Bosnienkrieges Vergewaltigung erleiden musste. Dieses Bild ist ein Ergebnis der Kunsttherapie "Body-Mapping", die zur Bewältigung traumatischer Erlebnisse dient. Diese Form der expressiven Kunsttherapie verwendet den Körper als Ausgangspunkt, um Geschichten über persönliche Erfahrungen zu erzählen und um Widerstandskraft und Resilienz zu fördern.


Eine Body Map setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen, die von der linken oberen Ecke aus gegen den Uhrzeigersinn gelesen werden. Zuerst wird das Motto der Überlebenden als ein Symbol dargestellt, mit dem sie sich am meisten identifiziert. Danach folgen ihre Erinnerungen in chronologischer Reihenfolge und ihre Hoffnungen, repräsentiert durch ein passendes Symbol. Der zentrale Teil der Body Map besteht aus zwei Silhouetten: Der vordere Körper zeigt die medizinischen Folgen und Auswirkungen des Traumas auf der physischen Ebene, während der Schattenumriss die Namen aller Personen enthält, die den Überlebenden unterstützen. Die wichtigsten Erinnerungen aus verschiedenen Lebensabschnitten wie Kindheit, Jugend, Zeit des traumatischen Ereignisses und das heutige Leben werden um die Silhouetten herum in Schrift oder Zeichnung hinzugefügt.

Die Ausstellung "Speaking out" in Sarajevo

Aus den Bildern der Teilnehmerinnen des Body Map Workshops entstand später die Ausstellung „Speaking Out“ in Sarajevo. Die Ausstellung selber wurde zu einer Plattform für Überlebende von kriegsbedingter sexueller Gewalt, um ihre Erfahrungen und Hoffnungen zu teilen.


Jährlich wird am 25. November der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen begangen. In bewaffneten Konflikten sind Frauen und Mädchen besonders von Gewalt betroffen. Sexuelle Gewalt in Kriegen existiert bereits seit der Antike. Sie wurde lange nicht thematisiert und als „Kollateralschaden“ bei Kriegshandlungen hingenommen.


Erst seit den Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg ist diese Art von sexueller Gewalt in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit gerückt. Dabei wurde klar, dass es in diesen Fällen nicht nur um die körperliche Befriedigung enthemmter junger Männer in der Konfliktsituation geht. Vielmehr zielt es darauf ab, den Feind zu demütigen, einzuschüchtern und zu entmenschlichen, sowie das soziale Gefüge der angegriffenen Gesellschaft zu zerstören. Bei Kriegshandlungen, ethnischen Säuberungen und jüngst bei Terrorangriffen wird sexualisierte Gewalt gezielt als militärisches Mittel, als Kriegswaffe eingesetzt. Im Bosnienkrieg, in Ruanda, in der Ukraine und in Israel wurden die Gräueltaten nach der gleichen Logik begangen.

Body Map einer Überlebenden von sexualisiertem Gewaltsexualisiertem Gewalt

In patriarchalischen Gesellschaften gilt der Körper der Frau als Hüter der„Ehre“; durch ihre Vergewaltigung und Zerstörung sollen die Männer der feindlichen Gruppe erniedrigt werden. Die Körper der Frauen werden zum Schlachtfeld. Frauen, die vergewaltigt wurden, gelten in patriarchalischen Gesellschaften vielerorts als entehrt und beschmutzt, so auch in den angegriffenen Gemeinden. Aus diesem Grund haben sich viele bosnische Ehemänner von ihren vergewaltigten Frauen scheiden lassen.


Überlebende von sexualisierter Gewalt müssen mit langfristigen körperlichen, psychischen und sozialen Folgen kämpfen. Das Fehlen einer Familie oder einer unterstützenden Gemeinschaft macht ihre Heilung fast unmöglich.

Erst seit dem Bosnienkrieg wird das Thema sexualisierte Kriegsgewalt auch auf juristischer Ebene behandelt. Im Jahr 2002 wurde sie am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erstmals als eigenständiger Strafbestand anerkannt und 2008 durch eine UN-Resolution als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft.


Vielen Dank an das Muzej ratnog djetinjstva (War Childhood Museum) in Sarajevo für die Bereitstellung der Bilder.